Niemand geht nach Paraguay

Campo Grande, Ponte Pora, Concepcion, Filadelfia, Asuncion (23.08 - 29.08.2002)

Eines der kleinsten Kapitel unseres Reisefuehres widmet sich Paraguay. Wir treffen kaum einen Traveller, der wirklich dort war. Und die, die einen Paraguay-Stempel im Pass haben, sind meist nur durchgefahren. Wir wollen uns das mal naeher anschauen.

In Brasilien nehmen wir den Bus von Campo Grande gerade nach Sueden zur Grenzstadt Ponte Pora. Es begegnen uns unendliche Getreidefelder und wir passieren Barackensiedlungen von Landarbeitern am Strassenrand. Eine spannende Fahrt ins Unbekannte. In Ponte Pora dann, ist die Welt gar nicht mehr Unbekannt. Es ist Samstag und Wahlkampf (siehe Corumba). Die Grenze zu Paraguay laeuft mitten durch die Stadt, markiert lediglich durch eine breite Strasse. Die deutlich aermere Seite mit den vielen Verkaufsstaenden heisst Pedro Juan Caballero. Grenzkontrollen gibt es nicht, aber zum Pass-Stempeln ist ein erfahrener Taxifahrer hilfreich. Brasiliens Polizeiposten ist bequem mitten in der Stadt, der von Paraguay irgendwo am Stadtrand.

Am Busbahnhof ueberraschen sie uns mit modernen, klimatisierten Bussen. Die passen so gar nicht zu den zweiachsigen Pferdefuhrwerken, die an jeder Ecke stehen. Es geht weiter nach Sueden, nach Concepcion. Zuerst durch eine wunderschoene Huegellandschaft mit Palmen, kleinen Tafelbergen und Ranchos neben der Strasse. Dann wieder durch gruene Ebene. Dieses mal mit Palmen. Aus der 3 Stunden Busfahrt im klimatisierten Luxusbus werden schliesslich 6 Stunden mit Umsteigen in den vollbesetzten Lokalbus. "Endlich" haben auch wir unsere Buspanne. Der Sprit ging aus und irgendwas an der Kupplung war nicht in Ordnung. Da stehen wir also 2 Stunden in der Mittagshitze einer schattenlosen Landschaft. Reisen koennte so schoen sein. Irgendwann nimmt uns dann der besagte Lokalbus mit und wir kommen doch noch an.

Das Hotel hat Deutsche-Welle Fernsehen und bietet zumindest Martin zum Ausgleich den Hoehepunkt der Fernsehunterhaltung am Samstag: BUNDESLIGA!!!! Der Zimmerklimaanlage geht der Sprit nicht aus und geschafft fallen wir frueh ins Bett. Entsprechend frueh sind wir am Sonntag wach. Die Stadt ist ziemlich geschlossen und wir unterhalten uns mit dre Weiterfahrt nach Filadelfia in den Gran Chaco. Wie es dort aussieht, hat mir eigentlich Karl May schon erzaehlt, aber... Eine Stunde geht es wieder vollklimatisiert durch Palmenwaelder. Dann Umsteigen in Pozo Colorado. Als Provinzhauptstadt ist der Ort auf allen Karten drauf. Aber lasst euch nicht taeuschen, es gibt nur eine Tankstelle und mehrere Bretterbuden. Es wartet bereits ein Bus auf uns. Weitere 3 Stunden luftgekuehlt ohne Kurve in eine immer trockener werdende Landschaft und in sengender Hitze nach Nordwesten. Wir schwimmen auf den Kunstledersitzen.

Unser Ziel Filadelfia ist eine Kolonie von deutsch-staemmigen Mennoniten. Ihr Glaube verbietet verkaufsoffene Sonntage und wir erreichen eine zu 99% geschlossene Stadt am Sonntagnachmittag. Das 1% ist das Hotel Florida. Wir freuen uns auf den Pool.

Filadelfia is absolut kein Ort fuer Urlaubstraeume, abe doch eine interessante Begegnung. Man spricht deutsch als Umgangssprache und hat auch alle Charaktermerkmale. Zurueckhaltend, Pool kostet extra, Parken-nur-an-Werktagen-erlaubt Schilder, Ordnung. Im Supermarkt gibt es Schinkenwurst und Milka- Schokolade (keine Laugen...). Die Strasse ist staubig, es weht ein gluehend heisser Nordwind. Die Haeuser erinnern an norddeutsche Bauernhoefe oder an Holzhaeuschen von Russlanddeutschen. Der Leiter des Museums gibt uns den notwendigen Geschichtsunterricht. Die Mennoniten Filadelfias kamen meist zu Beginn der 30er-Jahre aus Russland nach Paraguay. Unter Stalin konnten sie ihre Religion nicht mehr ausueben. Die Mehrheit war noch nie in Deutschland. Interessant, wie sich Kultur und Charakter in einer so fremden Umgebung halten konnte. Und wie die doch so deutschen Menschen diesen fremden Ort als ihre Heimat sehen. Wirtschaftlich sind die Mennoniten heute ein bedeutender Faktor fuer die Milch- und Fleischversorgung von Paraguay und Kathrin lernt in einer kostenlosen, individuellen Fuehrung die Molkerei kennen.

Als naechstes wollen wir Paraguay von West nach Ost durchqueren und wieder nach Brasilien zurueckkehren. Wir haben genug gesehen und so richtig schoen fanden wir es nirgendwo. Doch die Regierung Paraguays bremst uns. Nach 8 Stunden Busfahrt kommen wir in Asuncion an. Wir wollen eine Nacht bleiben und gleich weiterfahren. Ein froehlicher Taxifahrer erzaehlt uns auf dem Weg ins Hotel, dass er morgen den ganzen Tag im Bett bleiben wird und dass dies bestimmt alle in Paraguay auch so machen werden. Wir fragen nach und das unglaubliche wird konkret. Paraguay veranstaltet eine Volkszaehlung mit biblischen Regularien. Keiner darf zwischen 6 und 18 Uhr das Haus verlassen und wird von Zaehlbeamten eigenhaendig gezaehlt. Wir sitzen fest und werden mitgezaehlt.

Es wird Mittwoch in Asuncion gleicht einer Geisterstadt. Kein Mensch, keine Autos. Nur das Quitschen der Reklametafeln im Wind. Gespenstisch. Dazu unser kriselndes Hotel. Wir sind die einzigen Gaeste im 50-Zimmer Haus. Es funktioniert nicht mehr viel. Wirtschaftskrise pur. Einziger Lichtblick ist der verwahrloste Garten fuer diesen oeden Tag.

Am Tag drauf dann aber schnell weiter. Der verregnete Morgen komplettiert unser negatives Paraguay-Bild. An der Grenze zu Ciudad del Este treffen wir dann die Menschen wieder. In Massen. Diese Stadt ist ein einziger Supermarkt, der vom deutlichen Preisgefaelle gegenueber Brasilien lebt. Der Stadtbus nach Brasilien bleibt im Verkehr stecken und wandern bis zur Grenze. Dreispurig schieben sich japanische Kleinbusse vollbepackt mit Kartons und Motorradkuriere in jede Richtung ueber die Grenzbruecke. Auf dem Fussgaengerweg blockieren wir wie Schwertransporter auf der Autobahn den hektischen Fussgaengerverkehr. 50 m unter uns fliesst der Rio Parana. Irgendwann haben wir es geschafft, alle Stempel im Pass und wir steigen in denselben Bus, den wir 1 Stunde vorher im Stau verlassen haben. Zurueck in Brasilien und es war doch jemand in Paraguay.