Auf der Ranch

Corrientes, Goya (04.09. - 07.09.2002)

Bilder ferner Laender sind oft ziemlich einfach. Fuer Argentinien stehen bei Martin Tango und Rinderranches. Den Tango gab es mit 16 in der Tanzschule Klink, die Rinderranch sollte jetzt dran sein. Doch welche der unzaehligen Estancias (Ranch auf argentinisch) huetet neben Rindern auch Touristen? Es war einfacher als gedacht. Die Touristeninformation in Corrientes hatte ein Buch zum durchblaettern und abschreiben. Von den 10 Kandidaten hat Kathrin (toll telefoniert!!!) nur drei erreicht und eine wars dann - die Estancia St. Rita in Goya.

Wir setzen uns in den Bus, fahren 3 Stunden durch das bekannte Flachland, steigen um neun Uhr abends maechtig gespannt aus dem Bus und werden von Hugo, dem Estanciabesitzer (dueno auf argentinisch) hoechst persoenlich abgeholt. Er laesst Kathrin keine Chance und schleppt etwas ungeschickt aber entschieden ihren Rucksack zwei Blocks bis zur Posada St. Rita. Mama hat uns wahrscheinlich schon vor der Ankunft in ihre Familie aufgenommen. Wir werden begruesst wie alte Freunde des Hauses, ein wundervoll gedeckter Tisch in stilvoller antiker Athmosphaere wartet und wir muessen uns nur noch zu den drei argentinischen Stammgaesten setzen. Nach Salami und Kaese traegt Hugo mind. 4 Hauptgerichte als einzelne Gaenge an den Tisch und zum Nachtisch giebt es ebensoviele Varianten. Se come mucho y muy barato en Argentina. Wir werden in den naechsten Tagen nicht nur viel und guenstig essen, sondern auch noch sehr gut. Allein fuer diesen Abend hat sich der Ausflug schon gelohnt.

Am naechsten Morgen geht es aufs Land. Hugos Jetta ist mit uns, der Koechin, Carlos (zustaendig fuer alles), Hugo und einer Unmenge an Essen beladen. Beim Bremsen rutschen die Eier vom Armaturenbrett. Se come mucho... Unterwegs besichtigen wir noch eine eine Reisfabrik. Hier wird Reis geschaelt, geputzt und in Saecke verpackt. Der so teure Naturreis ist nur ein Arbeitsgang weniger!!! Es fehlt das letzte Putzen. Verdient man so Geld?

Irgendwann biegen wir an einem Eingangstor von der Strasse ab. Hinter dem Tor fuehrt ein Feldweg ins Nichts. Wir wollten schon immer mal wissen, ob da wirklich noch was kommt. Und tatsaechlich. Nach einigen Kilometerntaucht bei einer Baumgruppe die Ranch auf. Die bekannte stilvoll antike Athmosphaere, Haengematten an bluehend-duftenden Orangenbauemen, buddelnde Schweine, bruetende Gaense, hungrige Hunde, arrogante Truthaehne, gackernde Huehner und glotzende Schafe. Rinder schauen von der Weide aus zu. Wir essen im Freien unter einem riesigen Baum zu Mittag. Ein Paradies.

Am Nachmittag stehen zwei riesige (Einschaetzung von Martin) Pferde fuer uns vor dem Tor. Wir machen eine Tour in die weite der Weiden. Wie im Pantanal gibt es auch her kreisrunde Wasserloecher mit Capyvaras, Emus und vielen Voegeln. Und natuerlich Rinder. Wir erfahren, dass die Region Corrientes hauptsaechlich Kaelber aufzieht, die dann an Estancias weiter im Sueden zur Rindermast weiterverkauft werden. Dass auf einer Estancia 3-4 Gauchos arbeiten und oft auch leben. Dass die Duenos in der Stadt leben und von dort die Estancia verwalten. Und dass neen Rindern auch Schafe gezuechtet werden.

Bei der Annaeherung an die erste Schafherde bricht bei Kathrins Pferd dann der Arbeitseifer aus. Pflichtbewusst faellt es in einen flotten Trab um kurz darauf ins Galoppieren zu geraten. Es will ja schliesslich Schafe zusammentreiben! Dass Kathrin sich damit nicht so richtig auskennt (sie eiert gefaehrlich von einer Seite des Sattels auf die andere) scheint es nicht weiter zu stoeren.

Auf unserer Tour schauen wir noch kurz bei den Nachbarestancias vorbei. Gehoert sich bestimmt, wenn man so "nah" beieinanderwohnt. Am Abend tun uns Stadtmenschen dann aber mal wieder alle Knochen weh vom Pferdereiten. Ach ja und da waren ja noch die letzten Meter vor der Ranch...

Dieses mal Pferdespass mit Martin. Pferde kennen sich ja gut aus. Auf dem Weg weg von der Estancia schleicht es vor sich hin. Man muss ja jeden Meter wieder zuruecklaufen. Auf dem Rueckweg wird es dann plotzlich pfeilschnell. Und mit dem Selbstbewusstsein eines erfahrenen Reiters tippt Martin auf den letzten hundert Metern sanft in die Flanken des Pferdes, gibt also ganz leicht Gas. Unversehens sieht er sich auf einem wild galoppierenden Pferd sitzen. Fuehlt sich an wei Autofahren ohne TUEV und ohne Fuehrerschein und ohne Bremse. (Kathrin laestert: sein entschiedener Bremsversuch fuehrt leider nicht zum gewuenschten Ergebnis - das Pferd biegt nur nach rechts ab und rennt mit unveraenderter Geschwindigkeit weiter!

Tags darauf hat das Wetter umgeschlagen. Es ist bedeckt und es weht ein heftig kalter Wind aus Sueden. Kathrin und Martin Naturerlebnisstours kommen ohne Schlechtwettertag einfach nicht aus. Dennoch wird gearbeitet. Schliesslich ist es jetzt Zeit fuer das Gaucho-Leben und die kennen kein Schlechtwetter. Noch vor dem Fruehstueck reiten wir los und treiben die Rinderherde zusammen. Na gut, wir trotten den Profis hinterher und die machen das jeden Tag. War aber gar nicht so schwer...

Zurueck im Haus brennt der Kaminofen und die meiste Zeit des Tages verbringen wir direkt davor. Langweilig wird es aber ueberhaupt nicht. Es gibt immer was neues zum Arbeiten (= Zugucken). Zuerst wird fuer uns ein Lamm geschlachtet, das Fell abgezogen, ausgenommen und zerteilt. Eine ganz neue Erfahrung fuer uns, die wir Fleisch nur beschriftet beim Metzger kaufen. Zm Mittag gibt es dann gegrilltes Lamm. So frisches Fleisch haben wir noch nie gegessen.

Danach schauen wir den Gauchos beim Arbeiten im Corall zu. Schafe impfen, Laemmer kastrieren und Schwanz abschneiden, Herde aufteilen. Das Verhaeltnis von Tier und Mensch ist hier ein anderes als unsere Haustierromantik und wir sind fast schon richtige Gauchos...

Am dritten Tag haben wir wieder strahlenden Sonnenschein. Wir reiten mit einem der Gauchos wieder ueber die Weiden. Es ist Samstag und er freut sich auf das Wochenende mit einer Baile (Tanz) in seinem Heimatdorf. Davor stehen fuer ihn allerdings noch 5 Stunden mit dem Pferd. Nicht ungewoehnlich. Am Nachmittag treffen wir einige Gauchos in Wochenendkleidung auf dem Pferd neben der Strasse reitend. Zum Abschied duerfen wir noch mal unter dem Baum essen. Lammruecken!!!!! Auf der Rueckfahrt haben wir zwar keine Vorraete mehr dabei, das Auto ist aber nicht leichter. Es waren einfach nur schone Tage und der Tag ist ja noch nicht zu Ende...

Wir sind mit Hugos Bruder und dessen Frau unterwegs zurueck. Bekommen eine Stadtrundfahrt von Goya und er organisiert fuer uns die Bustickets fuer die Nacht. Mit Hugo vertiefen wir die Stadtrundfahrt und besuchen das Haus von Graciella. Es ist ein kleines Hauschen wie ueberall in der Stadt. Ein etwas chaotisch eingerichtetes Zimmer, alles ziemlich offen und viele Menschen. Mit dem aeltesten Sohn finden wir sofort eine Gemeinsamkeit...VfBs ganz ehemaliger Spieler Basualdo kam aus Goya...Fussball ist eine Weltsprache. Danach treffen wir Don Eduardo, den Besitzer der Nachbarestancia. Er bewohnt einen Palast. Mit der Einrichtung koennte man das Haus sofort zum Museum erklaeren. Eduardo ist 85 Jahre alt und taeglich auf seiner Ranch. Am Vortag haben wir ihn dort schon mal getroffen. Er spricht englisch und laedt uns ein, ihn in 20 Jahren wieder zu besuchen. Bis dahin verspricht er uns, wird er sein englisch deutlich verbessert haben. Er ist dann 104...Plaene zu haben ist wichtig!!!! Schliesslich landen wir wieder bei Mama in der Kueche. Es wird heftig gekocht und von Hugos Bruder Alberto lernen wir die dekorative Empanada-Verschliess-Technik mit Daumen und Zeigefinger.

Und der Tag ist immer noch nicht zu Ende. Ploetzlich stehen wir in der Garageneinfahrt von Hugos Nichte. Es wird gerade auf offenem Feuer ein Riesentopf mit einem typischen argentinischen Gericht gekocht. Gleich darauf die kleine Wohnung umgeraeumt, die einzige (Weihnachts-)Tischdecke auf die zusammengestellten Tische gelegt, die Besatzung von Hugos Kueche samt Empanadas ueber die Strasse transportiert und das Abendessen findet spontan hier statt. Mit mehr als doppelt so viel Menschen wie vorher und zwei Gringos. Schaffen wir so was auch in Deutschland?

Um Mitternacht kommt dann der Abschied naeher. Die zwei Blocks zum Busbahnhof werden wir natuerlich gefahren und gleich wieder zurueck zu Mama zum Kaffeetrinken. Der Bus hat eine Stunde Verspaetung und gegen 2.00 Uhr morgens fahren wir dann tatsaechlich ab.

Der einzige weitere Fahrgast am Busbahnhof hat praktischerweise das gleiche Ziel wie wir und uebernimmt nahtlos unsere Betreuung. Kauft beim Umsteigen am Morgen die Anschlussfahrkarte fuer uns, begleitet uns in Cordoba bis zur Touristeninformation.

Unvergessliche Tage in Argentinien.