Die Welt von oben

La Paz, Condoriri (16.06.-23.06.2002)

Gibt es eine spannendere Ankunft als in dieser unglaublichen Stadt La Paz? Fast genau fuenf Jahre nach unserem ersten Besuch landen wir bei stockfinsterer Nacht um 6.00 Uhr morgens auf 3.850 m ueber Wendlingen oder 4.100 m ueber der Nordsee. Um 7.00 Uhr beginnt die Show. Es wird Tag und am Horizont der brettflachen Hochebene des Altiplano werden die schneebedeckten 6 und 7 tausender der Cordillera Real von der Morgensonne beschienen. Es ist saukalt und uns bleibt die Luft weg. Ziemlich wenig Sauerstoff hier oben. Ueber die Kante des Altiplano stuerzen wir uns hinab in die Stadt. Hinunter auf "nur" noch 3.600 m. Ein Freund hat die Stadt mal mit einem Ameisenhaufen verglichen. Von oben betrachtet beschreibt dies die Szenerie gut.

Zum Fruehstueck etwas Nostalgie. Wir gehen ins Cafe Torino. Im zugehoerigen Hotel haben wir vor fuenf Jahren Uebernachtet und Kathrin ihre Floehe eingesammelt. Danach erst mal ins Bett (in ein anderes Hotel!) und unseren American Airlines Lag ausschlafen.

Als wir aufwachen scheint die Bergsonne gnadenlos ins Zimmer. Die Minusgrade der Nacht verschwinden in minutenschnelle. Am Abend sind die wenigen beheizten Lokale dann wieder der Renner. In den anderen speist man eben in Winterjacke und Alpakamuetze. Oder man sucht sich eine Pizzeria mit laufendem Pizzaofen. Den echten Italiener in der Kueche mussten wir zum WM-Aus troesten. Stichwort Alpaka: Der Standard-Gringo-Alpaka-Strickpullover kostet ca. 3 Euro. Martin hat auch einen.

Die Architektur ist alles andere als schoen. Betonhochhaeuser und fuerchterlich verfallene Kolonialgebaeude. Das reizvolle sind die Menschen. Maenner und Frauen in ihren andinen Trachten praegen das Bild. Dazu "passen" Angestellte im Businessanzug und -kostuem sowie die normalen Menschen und ein chaotischer Verkehr. Mexiko City wirkt richtig geordnet. Die Mehrheit der Bewohner ist arm, wahrscheinlich sogar sehr arm. Weiter unten im Tal sieht es anders aus. Die Luft hat mehr Sauerstoff, der kalte Wind bleibt oben zurueck. Hier wohnen die Reichen, hier faehrt man Daimler und hier kann man beim deutschen Konditor in verstaubter 80er-Jahre Kaffekraenzchen-Athmosphaere Sacher- und Schwarzwaelder-Kirsch-Torte geniessen. Das Tischgedeck zeigt Bilder aus dem Bayrischen.

Am Sonntag schaffen wir dann tatsaechlich mal wieder einen klassischen Sonntagsausflug. Der Spaziergang durch die bizarren Landschaften des Valle de la Luna (habt ihr schon mal Kathrins Sandburgen gesehen?) endet im Biergarten einer Chicharonneria. Es ist rappelvoll, es spielt Musik und wir mampfen Gegrilltes, Chicharonnes eben.

Aber wir wollen ja auch noch was von Bolivien sehen. Und wenn man schon mal so weit oben ist, koennte man ja auch einfach noch mal ein bisschen weiter rauf. Nach vier Tagen Schnaufen in den Strassen der Stadt fuehlen wir uns stark genug fuer die Berge. Es geht mit Fahrer, zwei Eseln, deren beiden Treiberinnen und einem Koch fuer 3 Tage in die Region des Condoriri, einem fuenftausender. Die Karawane zieht drei Tage lang durch bizarre Felslandschaften. Neugierig betrachtet von den Alpaka- und Lamaherden. Wir kriechen ueber 4.800 m Paesse und zelten bei eisigen Temperaturen. Im abendlichen Comedor (Speisesaal) fuehren wir interessante und unterhaltsame Gespraeche mit unserem Bergfuehrer Abram. Der Comedor besteht uebrigens aus einem 3-Mann-Iglu-Zelt mit Klappstuehlchen. So laesst sich auch in den Bergen stilvoll speisen.

Unfassbar bleiben die beiden Eseltreiberinnen. Im Rock ohne Struempfe, mit Gummilatschen aehnlich Ballettschuehchen und Strohsonnenhut ausgestattet, huepfen sie das Transistorradio wie ein Handtaeschchen geschultert froehlich kichernd ueber die Hochgebirgspfade. Die DAV-Richtlinien gelten nicht fuer Einheimische...

Getruebt wird der Spass durch Martins Kopfweh. Das 69-er Modell war wohl nicht hoehengetestet. Kathrin gehts gut und auf den Bildern tuts dann auch auch nicht mehr weh.